Eine Teekanne mit Chinoiserien aus der Sammlung Igo Levi
Die Teekanne mit ostasiatisch inspiriertem Dekor entstand in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Fayencemanufaktur Ansbach in Mittelfranken. Die Bemalung, die auf der Wandung der Kanne zwei fünfteilige Setzschirme darstellt, wurde von Johann Georg Christoph Popp (1697–1784) ausgeführt, der als Fayencemaler ein umfangreiches Werk hinterließ. Mit ihrer charakteristischen Farbgebung zählt die Kanne für das im 18. Jahrhundert sehr geschätzte Heißgetränk zur „Grünen Familie“ in der Ansbacher Produktion. Das Schankgefäß gehört zu der bedeutenden Sammlung von Fayencen aus deutschen Produktionsstätten, die das MAKK heute bewahrt. Rund 180 dieser zinnglasierten Keramiken, die sich im 17. und 18. Jahrhundert in Europa großer Beliebtheit erfreuten, zählt der Bestand des Museums.[i] Oft prächtig bemalt, war Fayence – der Name leitet sich vom italienischen Keramikzentrum Faenza ab – in gehobenen Kreisen ein begehrtes Material für Tafelgeschirr, Toilettenartikel und Dekorationsgegenstände.
1938 gelangte die Teekanne in die Sammlung des Museum für Angewandte Kunst, damals noch Kunstgewerbemuseum genannt. Zu dieser Zeit zählten Fayencen zu einem bevorzugten Sammlungsbereich des Museums. Das Jahr 1938 stand für das Museum besonders im Zeichen dieser Keramiken. In diesem Jahr feierte das 1888 gegründete Museum sein 50jähriges Bestehen. Für die große Jubiläumsausstellung, die über die Sommermonate gezeigt wurde, hatte Direktor Dr. Rudolf Verres mehrere Kölner Privatsammler eingeladen, ihre Fayence-Sammlungen den Räumen des Museums zu präsentieren – eine Kooperation, von der sicher beiden Seiten profitierten. Das Museum konnte seine Besucher mit weit über 200 Leihgaben erfreuen, die sonst nicht öffentlich zu sehen waren.[ii] Für die Sammler bedeutete die Würdigung im Museum eine offizielle Versicherung der Qualität ihrer Kollektionen.
Im Februar des Jahres hatte Dr. Adolf Feulner (1884–1945) das Amt des Generaldirektors der kunstgewerblichen Sammlungen der Stadt Köln angetreten und war seither für das Kunstgewerbemuseum verantwortlich. Mit ihm kam auch ein weiterer Experte für Fayencen nach Köln. Während seiner Zeit als Frankfurter Museumsdirektor hatte der Kunsthistoriker ein Übersichtswerk über Frankfurter Fayence-Arbeiten vorgelegt, und er war mit Sammlern und Händlern auf diesem Gebiet gut vernetzt. Ob er sich in die sicherlich bereits laufenden Planungen zur Jubiläumsausstellung in Köln einschaltete, wissen wir nicht. Die Schau dürfte aber ganz in seinem Sinne gewesen sein und erleichterte den schnellen Ausbau seiner Kontakte zu Kölner Privatsammlern.

Über den Sommer 1938 bemühte sich Adolf Feulner zudem darum, die Fayence-Sammlung des Kunstgewerbemuseums zu erweitern – und wusste seine neuen Beziehungen dabei zu nutzen. Die erhaltenen Verwaltungsakten belegen, dass Feulner seit Juni des Jahres plante, für das Kunstgewerbemuseum Objekte aus der Sammlung des Nürnberger Fayence-Sammlers Igo Levi (1887–1961) zu erwerben.[iii] Er besichtigte die Sammlung in Nürnberg und suchte nach seiner Rückkehr gemeinsam mit Rudolf Verres nach Unterstützung für dieses Vorhaben. Er fand sie bei Kölner Sammlern, die als Leihgeber an der Ausstellung im Kunstgewerbemuseum beteiligt waren.
Der in der Metallbranche tätige Unternehmern Igo Levi hatte seit den 1920er Jahren eine umfangreiche Sammlung deutscher Fayencen zusammengetragen, die bald als eine der qualitätsvollsten Kollektionen auf diesem Gebiet galt. Seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wurde Igo Levi aufgrund seiner jüdischen Herkunft verfolgt. Die Verhandlungen mit dem Kunstgewerbemuseum über einen Ankauf aus seiner Sammlung fanden zu einer Zeit statt, als sich die Lage der jüdischen Bevölkerung unter der Verfolgung durch das NS-Regime ein weiteres Mal zuspitze. Wie alle jüdischen Bürger musste Igo Levi im Sommer 1938 sein Vermögen bei den Behörden anmelden, darunter auch seine Kunstsammlung. Faire Geschäfte waren in dieser Phase für jüdische Verkäufer kaum noch zu erwarten. Im September 1938 wählte das Kunstgewerbemuseum schließlich die Ansbacher Teekanne und 21 weitere Fayencen zum Ankauf von Igo Levi aus. Wie dieses Geschäft genau von statten ging, ließ sich bisher nicht klären, die Untersuchungen hierzu dauern noch an. Neben privaten Sammlern war vermutlich auch die Kölner Kunsthandlung Hermann Sonnthal involviert.
Igo Levi wurde in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 von Mitgliedern der NSDAP-Organisation „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) in seiner Nürnberger Wohnung überfallen.[iv] Wie tausende andere Opfer des vom NS-Regime organisierten Pogroms gegen Personen und Institutionen des jüdischen Lebens in Deutschland wurde er für mehrere Wochen in einem Konzentrationslager interniert. Nach seiner Entlassung musste er das Verfügungsrecht über seinen gesamten Besitz einschließlich der Kunstsammlung abtreten. Die Fayencen waren von der DAF zwischenzeitlich beschlagnahmt worden und sollten verkauft werden. Levi hatte weder ein Mitspracherecht in den Verkaufsverhandlungen noch konnte er über die erwirtschafteten Gelder frei verfügen. Von den 465 auf diese Weise geraubten Fayencen, die in verschiedene öffentliche und private Sammlungen zerstreut wurden, erhielt Levi nach dem Krieg nur etwa 115 Objekte zurück, die übrigen blieben verschollen. Auch aus diesem Bestand waren über verschiedene Wege drei Fayencen ins Kölner Kunstgewerbemuseum gelangt – sie wurden 1951 an den Sammler restituiert.
Nach der Restitution der drei beschlagnahmten Fayencen forderte Levi auch die im September 1938 erworbenen Stücke seiner Sammlung zurück. Das Kunstgewerbemuseum konnte den erforderlichen Nachweis, dass der Verkauf von Levis Seite aus freien Stücken erfolgt war, nicht erbringen. Allerdings hatte der Sammler in Unkenntnis seiner rechtlichen Ansprüche zuvor auf eine Rückgabe der Fayencen verzichtet. Es folgten längere Verhandlungen. Dabei war Igo Levi – das lässt sich dem erhaltenen Briefwechsel mit dem Museum entnehmen – ganz vorrangig an einer einvernehmlichen und gütlichen Lösung gelegen. Eine gerichtliche Auseinandersetzung wollte er auf keinen Fall. Der Sammler verständigte sich mit dem Kunstgewerbemuseum schließlich auf eine großzügige Regelung zugunsten des Museums: Drei Fayencen aus dem im September 1938 angekauften Konvolut wurden an Igo Levi zurückgegeben, dafür verzichtete er auf weitere Ansprüche gegenüber der Stadt Köln. Auf diese Weise gelangten die Teekanne und 18 weitere Arbeiten mit der Provenienz „Sammlung Igo Levi“ rechtmäßig in die Bestände des MAKK.
Dr. Iris Metje, Mai 2021
