Einhundert Jahre ist es her, dass in Europa ein Krieg entbrannte, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte. Vier Jahre lang standen das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn, das Osmanische Reich sowie das Königreich Bulgarien den Alliierten Frankreich, Großbritannien, Italien, Russland und den USA im Ersten Weltkrieg gegenüber. Diese „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ prägte den Lauf der Geschichte bis heute und er veränderte das Leben von Millionen Menschen weltweit, in Europa, in Deutschland – und auch in Köln.
Das Kölnische Stadtmuseum, das Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) und die Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln (RWWA) widmen sich mit „Köln 1914. Metropole im Westen“ in einer gemeinsamen Präsentation an drei Orten den Auswirkungen dieses ersten „totalen“ Kriegs auf die Stadt. Die Metropole war logistischer Knotenpunkt für die Westfront, ein Zentrum des beginnenden Luftkriegs und mit über 600.000 Einwohnern eine der größten Städte im Deutschen Reich. Wie in kaum einer anderen Stadt stießen hier die Grundwidersprüche der Epoche – „Aggression“ und Avantgarde“ – aufeinander.
Die thematisch gegliederten Ausstellungen zeigen die Umbrüche, denen das Leben in der Großstadt durch den Krieg ausgesetzt war.
Im Kölnischen Stadtmuseum steht die Alltagsgeschichte im Vordergrund: Köln war eine pulsierende Großstadt auf dem Weg in die Moderne. Auch wenn soziale Gegensätze noch Politik und Stadtgesellschaft prägten: Den meisten ging es besser als je zuvor und es schien weiter aufwärts zu gehen. Dann veränderte der Krieg alles. Das Leben im Frieden und der Einschnitt des Krieges werden in Themenräumen präsentiert: Arbeit und Wirtschaft, Karneval, Freizeit, Sport und Vergnügen, Luftfahrt und Verkehr, Festung und Militär, Religiösität und gesellschaftliches Leben.
Kölner Lazarette und Kriegsgefangenenlager spielen ebenso eine Rolle wie das Frontgeschehen, waren doch zahllose Kölner im Krieg im Einsatz. Ausgewählte Biografien vermitteln einen lebendigen Eindruck vom Leben von Kölnerinnen und Kölner im Jahr 1914.
Das Museum für Angewandte Kunst widmet sich vor allem den künstlerischen Aspekten des großstädtischen Lebens. Köln stand 1914 in der Blüte seiner kulturellen Entwicklung und war reges Zentrum einer jungen Intellektuellenszene. Bereits seit 1903 formierten sich in kurzer Folge Künstlervereinigungen, die nicht nur als Ausstellungsplattformen dienten, sondern auch zu Lesungen, Vorträgen und Diskussionsrunden einluden. Unterstützt wurden diese Bestrebungen aus der reichen Museumslandschaft, die bis zum 1. Weltkrieg 14 Institutionen umfasste.
Die bürgerliche Kultur wurde besonders im 1902 eröffneten Opernhaus am Habsburger Ring, dem größten des Deutschen Reichs, und im Schauspielhaus zelebriert und den Stars der Bühne gehuldigt.
Kultureller Höhepunkt sollte die im Mai 1914 eröffnete Werkbundausstellung werden, die die lokalen wie internationalen Bestrebungen der Zeit in Bezug auf Architektur, Bildende Kunst und Kunsthandwerk bündelte. Die Ausstellung im MAKK spiegelt nicht nur die Vielfalt des künstlerischen Lebens, die durch den Kriegsausbruch zunächst zum erliegen kam, sondern auch die persönlichen Reaktionen von Künstlerinnen und Künstlern, die Verherrlichung wie die Schreckensbilder des Krieges.
Die Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln fungiert als Leihgeber für die beteiligten Museen, widmet sich aber auch in einer kleineren Präsentation einigen bekannten Kölner Unternehmen und ihren Reaktionen auf den Ausbruch des Krieges. Im Fokus stehen hier neben Feldzeitschriften, Feldpost-Briefen und Fotos auch die Produkte der Unternehmen, in denen sich der Krieg widerspiegelt.
Die beiden Museen und das Wirtschaftsarchiv haben ihre Bestände zum Thema Köln im Ersten Weltkrieg durchforstet und dabei eine große Fülle herausragender, teils noch nie gezeigter Exponate zutage gefördert.
So werden im MAKK Kunstwerke und Objekte von Alexe Altenkirch, Michael Brunthaler, Heinrich Hoerle, Franz M. Jansen, Heinz Kroh, Carlo Mense, Ferdinand Nigg, Ernst Riegel, Carl Rüdell, August Sander und anderen zu sehen sein.
Neben Gemälden, Grafiken, Mappenwerken und Fotografien schildern Gästebucheinträge und Notizen die sich verändernden Bedingungen des kulturellen Lebens. Exponate, die auf der Werkbundausstellung zu sehen gewesen waren, verdeutlichen die damalige hochstehende gesamtkünstlerische Qualität. Ergänzt werden die Erzeugnisse aus Kölner Produktion durch prominente Leihgaben wie beispielsweise die Architekturmodelle des Werkbundtheaters von Henry van de Velde, des Glaspavillons von Bruno Taut sowie des Bürogebäudes von Walter Gropius.
Im Kölnischen Stadtmuseum wird ein monumentales Bildnis Kaiser Wilhelms II. mit Objekten der Alltagskultur kontrastiert: Kleidung, elektrische Geräte und Luxusgegenstände, Kinderspielzeug, aber auch Notprodukte der späteren Kriegszeit wie das „Adenauer Brot“, Ersatzsohlen für Schuhe oder Textilien aus Brennesselfasern. Auch die Welt des Militärs wird eine Rolle spielen: Eine Fliegerbombe, Uniformen Gewehre, eine Gasmaske und viele andere Objekte beleuchten das Geschehen an der Front ebenso wie die auf Kriegswirtschaft umgestellte Kölner Industrieproduktion. inzu kommen aussagekräftige Leihgaben wie der Kölner Turnkittel von 1908, eine Unterarmprothese, eine Moulage einer schweren Gesichtsverletzung, ein Motorrad aus Kölner Produktion, das an der Westfront eingesetzt wurde und schließlich Exponate zum Thema Weihnachten 1914, als sich in Köln und an der Front bewusst wurde, dass sich eine Welt veränderte.
Das Ergebnis dieser bisher einzigartigen Kooperation der drei Kölner Kulturinstitutionen ist eine umfassende und umfangreiche Schau, die in aller Breite und mit zahlreichen Tiefenbohrungen die Geschichte Kölns im ersten Kriegsjahr und darüber hinaus in den Blick nimmt. Die Kuratorinnen und Kuratoren betreten hier Neuland, denn für Köln ist dieses historische Feld bisher weitgehend unerforscht. Der zur Ausstellung erscheinende reich bebilderte Begleitband wird für die nächsten Jahre das Standardwerk zur Geschichte Kölns im Ersten Weltkrieg sein.
Die Ausstellungen in Köln bilden den Abschluss des LVR-Verbundprojektes „1914 – Mitten in Europa. Das Rheinland und der Erste Weltkrieg.“